In Arles habe ich, wie schon kurz angedeutet eine Ausstellung gesehen, die vorher schon im C/O in Berlin zu sehen war. Kuratiert von Kathrin Schönegg bringt diese Ausstellung die wörtliche und die metaphorische Bedeutung des Wortes `Cloud´ zusammen, die Geschichte des Blicks nach oben, die sicher nicht erst mit den Wolkenbildern von Alfred Stieglitz beginnt. Diese bilden aber den Hintergrund, auf dem der poetische Titel “Songs of the Sky” zurückgeführt werden kann. Es war der ursprüngliche Titel seiner später unter dem Namen „Équivalents“ bekannt gewordenen Serie von Wolkenbildern, die er zwischen 1925 und 1934 aufgenommen hat. Neu war daran, dass er den Horizont meist nicht in das Bild integrierte, sondern nur den Himmel mit seinen Wolken zeigte.
Eine ebenso illustrative Brücke zwischen den Wolkenbildern und den Bildern in der Wolke (Cloud) schlägt James Bridle in seinem Essay zur Ausstellung in der C/O-Zeitung Nummer 30/11. Jg. Er verweist auf eine ebenfalls in der Ausstellung gezeigte Arbeit des koreanischen Künstlerduos Shin Seung Back / Kim Yong Hun, in der Dutzende von Wolken-Gesichtern versammelt sind. Die Serie heißt “Cloud Face” und zeigt eine Vielzahl von Wolken, die von einer Gesichtserkennungssoftware als Gesichter “erkannt” wurden. Ob da das Unvermögen der KI oder nur ihre Kinderkrankheiten zur Diskussion gestellt werden, wird sich noch zeigen.
In Arles, as already briefly mentioned, I saw an exhibition that had previously been on view at the C/O in Berlin. Curated by Kathrin Schönegg, this exhibition brings together the literal and the metaphorical meaning of the word “cloud”, the history of looking upwards, which certainly did not begin with the cloud pictures of Alfred Stieglitz. But these form the background on which the poetic title “Songs of the Sky” can be traced. It was the original title of his series of cloud pictures, later known as “Équivalents”, which he took between 1925 and 1934. What was new about it was that he usually did not integrate the horizon into the picture, but only showed the sky with its clouds.
James Bridle builds an equally illustrative bridge between the cloud pictures and the pictures in the cloud in his essay on the exhibition in the C/O newspaper, issue 30/11. He refers to a work by the Korean artist duo Shin Seung Back / Kim Yong Hun, also shown in the exhibition, in which dozens of cloud faces are assembled. The series is called “Cloud Face” and shows a multitude of clouds that have been “recognised” as faces by facial recognition software. It remains to be seen whether the AI’s inability or just its teething troubles will be discussed.
In der Ausstellung zur Cloud sind ebenfalls viele Arbeiten zu sehen die Wolken zeigen aber bei näherer Betrachtung handeln sie alle auch von Themen, die uns mit der Digitalisierung zunehmend beschäftigen und betreffen. Schließlich ist diese Cloud kein romantischer Himmelsschmuck, sondern ein Netzwerk, das alle unsere Bilder schluckt. Und auch nicht mehr ausspucken möchte „to save is easier than to delete” soll Bezos gesagt haben.
Zwei Serien fallen durch ihre Farbe auf. Es ist das Preußisch-Blau, das bei Cyanotypien als Ergebnis erscheint, ein Blau, das in der Natur eigentlich nicht vorkommt. Aber nur eine der beiden Serien besteht wirklich aus Cyanotypien. Es ist die Serie von Marie Clerel. Sie zeigt eine Art meteorologischen Kalender des Jahres 2019. Sie hat jeden Tag ein mit Cyanotypie-Lösung getränktes Stück Papier direkt belichtet, so, dass man an dieser Spur sehen kann, ob es ein heller sonniger Tag oder ein dunklerer wolkiger Tag war. Die andere Arbeit von Simon Roberts zeigt schlicht Blicke aus den Fenstern von Flugzeugen aus der Vor-Corona-Zeit, verfremdet diese Blicke aber durch die besondere Farbverwendung.
In the exhibition on the cloud, there are also many works that show clouds, but on closer inspection they all deal with topics that increasingly concern and affect us with digitalisation. After all, this cloud is not a romantic ornament of the sky, but a network that swallows all our images. And doesn’t want to spit out any more either “to save is easier than to delete” Bezos is supposed to have said.
Two series stand out because of their colour. It is the Prussian blue that appears as a result of cyanotypes, a blue that does not actually occur in nature. But only one of the two series really consists of cyanotypes. It is the series by Marie Clerel. It shows a kind of meteorological calendar of the year 2019. Each day she has directly exposed a piece of paper soaked in cyanotype solution, so that you can see from this trace whether it was a bright sunny day or a darker cloudy day. The other work by Simon Roberts simply shows views from the windows of pre-Corona aircraft, but alienates these views through the special use of colour.
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Lisa Oppenheim beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit den Photographischen Techniken eines Herren Gustave Le Gray (1820-1884) der, weil es damals nicht möglich war, Landschaften und Wolken in einem Bild aufzunehmen, eine Technik entwickelt hat, Himmelsbilder beim Ausbelichten mit Landschaftsbildern zu kombinieren. Sie vollzieht diesen Prozess nach und kombiniert eigene Bilder, die im Wolkenteil über dem Horizont auch noch direkt der Sonne ausgesetzt werden, was eine Effekt erzeugt, als würde die Sonne von oben ins Bild scheinen. Aber eben alles konstruiert. Nur noch das Rohmaterial ist photographisch.
Evan Roth bleibt in seiner Videoinstallation „Landscapes“ insofern photographisch als die Kamera stationär bleibt. Die in Infrarot aufgenommenen Videos verschiedene Größe sind in einer asymmetrischen und trotzdem ausgewogenen Komposition größerer und kleinerer Bildschirme angeordnet und die Stromversorgung und Steuerung des ganzen ist nicht dahinter verborgen, sondern werden offen inszeniert. Dies ist Teil der Aussage, es geht nämlich um die Infrastruktur der Cloud, die unzähligen Glasfaserkabel, die kreuz und quer durch die Ozeane verlegt sind. Die Video-Bilder zeigen relativ unaufgeregt die davon betroffenen Küstenlandschaften.
Lisa Oppenheim deals in her work with the photographic techniques of Gustave Le Gray (1820-1884) who, because it was not possible at that time to take landscapes and clouds in one picture, developed a technique of combining sky pictures with landscape pictures when exposing them. She follows this process and combines her own images, which are also directly exposed to the sun in the cloudy part above the horizon, which creates an effect as if the sun were shining into the picture from above. But everything is constructed. Only the raw material is photographic.
Evan Roth remains photographic in his video installation “Landscapes” insofar as the camera remains stationary. The videos of various sizes, shot in infrared, are arranged in an asymmetrical yet balanced composition of larger and smaller screens, and the power supply and control of it all is not hidden behind them, but are overtly staged. This is part of the statement, for it is about the infrastructure of the cloud, the countless fibre optic cables criss-crossing the oceans. The video images show the coastal landscapes affected by this in a relatively unagitated way.
Sehr beeindruckend auch ein Wolkenbild von Trevor Paglen. Es zeigt Wolken und die kreisförmigen Suchbewegungen einer AI, die versucht, die Form der Wolken zu erkennen. Wolken sind sehr flüchtige und formunklare Objekte, an denen sich die AI (noch) schwertut bzw. sich in ihren Suchbewegungen im Kreis dreht, ohne eine klare Form erkennen zu können.
Ebenfalls eindrücklich, weil unser System des Quantifizierens und Monetarisierens aufdeckend ist die „Buy Cloud“ genannte Installation von Noa Jansma. Auf dem Boden eine quadratische Fläche mit schönem künstlichem Rasen. Da kann man sich hinlegen und sich den Himmel, d.h. auf einem ebenfalls quadratischen Bildschirm vorüberziehende Wolken anschauen. Aber die Wolken ziehen nicht nur, Sie werden, sobald sie auftauchen durch rote Quadrate eingefasst, dadurch in ihre Größe eingeschätzt und von einer Auktionatoren-Stimme sofort auch zum Kauf angeboten, je nach Größe zu einem mehr oder weniger hohen Betrag. Wolken kaufen, so heißt es in der Beschreibung des Werkes, sei heutzutage, bei der Gefahr, dass bestimmte Wolken dem CO2 weichen werden, eine stabile und poetische Investition.
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A cloud image by Trevor Paglen is also very impressive. It shows clouds and the circular search movements of an AI that tries to recognise the shape of the clouds. Clouds are very volatile objects with an unclear shape, which the AI (still) struggles with or turns in circles in its search movements without being able to recognise a clear shape.
Also impressive, because it exposes our system of quantifying and monetising, is the installation by Noa Jansma called “Buy Cloud”. On the floor is a square area with a beautiful artificial lawn. There you can lie down and look at the sky, i.e. clouds passing by on a screen that is also square. But the clouds don’t just pass by, as soon as they appear they are framed by red squares, their size is estimated, and they are immediately offered for sale by an auctioneer’s voice, depending on their size for a more or less high amount. Buying clouds, as the description of the work says, is a stable and poetic investment nowadays, with the danger that certain clouds will give way to CO2.
Am Ende der Ausstellung noch ein fesselndes und mahnendes Video von Louis Henderson namens „All that is Solid“, dass die schmutzige Arbeit auf den Recyclinghalden in Ghana, wo Menschen an langen Stangen und bei stinkendem schwarzen Rauch Elektronikteile ausbrennen, um die Metalle rückzugewinnen, kontrastiert gegen Werbevideo für von Cloud-Anbietern, Browseransichten und 3D-Ansichten von Minen, in denen die Rohstoffe für unsere Geräte gewonnen werden. Nochmal ein ganz klarer Blick darauf, dass das, was wir als eine saubere Möglichkeit angeboten bekommen, unsere Daten aufzubewahren, auf einer recht handfesten, dreckigen Grundlage beruht.
Das Thema beschäftigt nicht nur die Photographen in Berlin und Arles. Bei meinem letzten Besuch in Mainz bin ich in die Ausstellung „Homospäre“ in der Kunsthalle Mainz reingestolpert. Es ging darin um den Luftraum, in dem wir Menschen leben, den wir als selbstverständlich hinnehmen, der aber von vielfältigen Seiten her bedroht ist. Durch Wolken z.B. radioaktive Wolke von Fukushima, Giftgaswolken, Tränengas usw. Ich möchte nicht auch noch durch diese Ausstellung durchgehen. Deswegen belasse ich es auf den Hinweis auf die Wissenschaftler/Künstlergruppe „Forensic Architecture“, die in ihrer Installation „Cloud Studies“ auf einer beeindruckenden, gewölbten Videowand elf Videos zu Untersuchungen präsentiert, die die Gruppe mit Mitteln, die an Retro-Engineering erinnern, mithilfe von frei verfügbaren Daten aus dem Netz zu Ereignissen vorgenommen hat, in denen es sich allesamt um Aktionen aus der Luft handelt, deren Spuren also schwer nachvollziehbar waren, bevor es private Videoaufzeichnungen und die Cloud gab, die diese Spuren für uns aufbewahrt. Es sind unter anderem Aktionen, in denen israelische Flugzeuge Unkrautvernichtungsmittel über den Feldern und weißen Phosphor über den Städten des Gazastreifens abgeworfen haben. Eine insgesamt erschreckende Ausstellung, die aber ebenfalls zeigt, dass Wolken alles andere als romantische Himmelserscheinungen sein können.
At the end of the exhibition, a compelling and cautionary video by Louis Henderson called “All that is Solid”, which contrasts the dirty work of the recycling dumps in Ghana, where people burn out electronics on long poles in fetid black smoke to recover the metals, with promotional video for cloud providers, browser views and 3D views of mines where the raw materials for our devices are extracted. Again, a very clear view that what we are being offered as a clean way to store our data is based on a pretty tangible, dirty foundation.
The issue does not only concern photographers in Berlin and Arles. On my last visit to Mainz, I stumbled into the exhibition “Homospere” in the Kunsthalle Mainz. It was about the airspace in which we humans live, which we take for granted but which is threatened from many sides. By clouds, for example, the radioactive cloud from Fukushima, clouds of poison gas, tear gas, etc. I don’t want to go through this exhibition as well. Therefore, I will leave it at the reference to the scientist/artist group “Forensic Architecture”, which in its installation “Cloud Studies” presents eleven videos on an impressive, curved video wall of investigations that the group has carried out with means reminiscent of retro-engineering, with the help of freely available data from the net on events, all of which are actions from the air, the traces of which were therefore difficult to trace before there were private video recordings and the cloud, which stores these traces for us. They are, among other things, actions in which Israeli planes dropped weedkiller over the fields and white phosphorus over the cities of the Gaza Strip. An altogether frightening exhibition, but one that also shows that clouds can be anything but romantic celestial phenomena.