Wo soll ich anfangen? Schon die alten Griechen? Oder doch erst mit der Fotografie? Diese wiederum orientiert sich an eine viel älteren Traditionen zweidimensionaler darstellender Künste. Und hier wiederum findet man, wenn man mit der Frage auszieht, wie man seine Fotos strukturieren soll vor allem das Wort vom `Goldenen Schnitt´ und damit verbunden der `Spirale von Fibonacci´. In der Hoffnung ein wenig tragfähiges Material zu diesem Thema in die Finger zu bekommen habe ich mir ein Buch namens „Der geheime Code“ zugelegt, in dem so ungefähr alles zusammen getragen wird, was die Menschheit bisher zu dem Thema abgesondert hat. Untertitel “Die rätselhafte Formel, die Kunst, Natur und Wissenschaft bestimmt” – bestimmt nicht, möchte ich gleich erwidern. Wir finden im Wahrgenommenen immer nur das, was wir im Geiste vorgeformt haben. Die Goldene Schnitt als zugegeben einzigartiges Verhältnis, weil das Ganze zum größeren Teil im gleichen Verhältnis steht wie die Teile zueinander – die Goldene Schnitt lässt sich tatsächlich in alles Mögliche hineinprojizieren, wenn man erstmal seiner Faszination erlegen ist. Und tatsächlich werden auch Photos, die sich in diesem Verhältnis einteilen lassen oder, wo das Hauptmotiv das Bild in diesem Verhältnis teilt, allgemein als angenehm empfunden. Das kann man sich natürlich zunutze machen und viele Maler und Fotografen haben dies getan. Aber was ist, wenn ein Bild gar nicht angenehm wirken, sondern provozieren oder irritieren soll? Dann muss man sich andere Werkzeuge bedienen. Man merkt schon, die Rede davon, dass dieses Verhältnis den Dingen inhärent ist, ist nicht so mein Ding. Wenn wir überhaupt etwas über die `Dinge an sich´ sagen können, dann, dass es gar keine Dinge sind, sondern zumeist chaotische Prozesse die wir vermittels unserer Wahrnehmungsmuster verstehen, deuten und mit unserer Tatkraft beeinflussen können. In Fotografie und Malerei wirkt sich das so aus, dass wir vor allem durch die Auswahl dessen, was wir darstellen und durch das Ignorieren des restlichen Durcheinanders Ordnung schaffen und dem Bild Struktur geben – nicht weil diese Ordnung da ist, sondern weil wir sie hineinlegen in die Welt. So verfügen wir mit unserer Sprache über Begriffe, mit unserer Mathematik über Maßstäbe und Verhältnisse und mit unseren Taxonomien über Ordnungssysteme, in die die Dinge der Natur fein säuberlich eingeordnet sind.
Where do I start? Already the ancient Greeks? Or should I start with photography? This in turn is oriented towards a much older tradition of two-dimensional representational arts. And here again, if you go out with the question of how to structure your photos, you will find above all the word of the ‘golden section’ and with it the ‘spiral of Fibonacci’. In the hope of getting my hands on some viable material on this subject, I bought a book called “The Secret Code”, which brings together just about everything that mankind has so far secreted on the subject. Subtitled “The enigmatic formula that determines art, nature and science” – definitely not, I would like to reply right away. We only ever find in what we perceive, what we have preformed in our minds. The golden ratio as an admittedly unique relationship, because the whole is in the same relationship to the greater part as the parts are to each other – the golden ratio can indeed be projected into everything possible once one has succumbed to its fascination. And indeed, photographs that can be divided in this proportion, or where the main subject divides the picture in this proportion, are generally perceived as pleasing. Of course, one can take advantage of this and many painters and photographers have done so. But what if a picture is not meant to be pleasant at all but to provoke or irritate? Then you have to use other tools. As you can see, talking about this relationship being inherent in things is not really my thing. If we can say anything at all about ‘things in themselves’, it is that they are not things at all but mostly chaotic processes that we can understand, interpret and influence with our energy by means of our patterns of perception. In photography and painting, this has the effect that we create order and give structure to the picture above all by selecting what we depict and by ignoring the rest of the mess – not because this order is there but because we put it into the world. Thus, with our language we have concepts, with our mathematics we have scales and ratios, and with our taxonomies we have systems of order in which the things of nature are neatly arranged.
Timm Ulrichs
„Der goldene Schnnitt (Anwendungs-Beispiel)“ /”The Golden Section (Application Example)” (Source: kunst.celle.de)
Teilt man eine Fläche nach dem Goldenen Schnitt und den kleineren der beiden Teile danach noch einmal und so weiter entsteht eine besondere Spirale, die mit dem Namen des Mathematikers Fibonacci verbunden wird. Sehen wir in die Natur, sehen wir überall Spiralen, aber die wenigstens sind wirkliche Fibonacci-Spiralen, die meisten sind Archimedische, die wenig mit dem Goldenen Schnitt zu tun haben. Sehr beliebt ist es, die Spirale über ein Bild zu legen und darüber zu philosophieren, warum sich auch hier dieses Grundgesetz der Natur zeigt. Allerdings sind inzwischen auch schon einige Skeptiker ins Feld gezogen und haben gezeigt, dass man die Spirale auch auf Bilder legen kann, die wenig mit der Schönheit und Ausgewogenheit von Natur und Kultur zu tun haben.
If you divide a surface according to the golden section and then divide the smaller of the two parts again, and so on, you get a special spiral, which is associated with the name of the mathematician Fibonacci. If we look at nature, we see spirals everywhere, but at least the ones we see are real Fibonacci spirals, most of them are Archimedean ones that have little to do with the golden section. It is very popular to put the spiral over a picture and to philosophise about why this basic law of nature shows up here as well. However, some sceptics have already entered the field and have shown that the spiral can also be applied to pictures that have little to do with the beauty and balance of nature and culture.
Ich hoffe ich habe durch meine Ausflüge nicht noch mehr Verwirrung angestiftet als sowieso schon herrscht. Ich denke, dass Goldener Schnitt und Fibonacci Spirale Hilfsmittel sein können, um ein Bild zu analysieren oder zu interpretieren, dass nach diesen Prinzipien aufgebaut ist. Als Hilfe beim Photographieren taugen sie aber genausowenig wie bei der Enträtselung des Universums. Da sollte man sich was Aufbau und Struktur angeht davon leiten lassen, was dem Motiv und den eigenen Intentionen angemessen erscheint.
I hope I haven’t caused now any more confusion than I already have. I think that the golden ratio and the Fibonacci spiral can be aids to analysing or interpreting an image that is constructed according to these principles. But they are no more useful as an aid to photography than they are for unravelling the universe. As far as structure and composition are concerned, one should let oneself be guided by what seems appropriate to the motif and one’s own intentions.
Oha, Rolf hier als Kantianer, da kann ich gut mitgehen!
Ich hoffe Kant verzeiht mir, dass ich ihn nie ordentlich gelesen, wenn Du mir bescheinigst, dass ich ihn verstanden habe.
“Wenn wir überhaupt etwas über die `Dinge an sich´ sagen können, dann, dass es gar keine Dinge sind, sondern zumeist chaotische Prozesse die wir vermittels unserer Wahrnehmungsmuster verstehen…”
“Chaotische Prozesse” ist ja auch ein Menschenbegriff. Es hilft nichts, wir können nichts wissen.
Dieses Thema mit Fibonnachi ist spanned, danke. Man will halt allzeit Geheimnisse lüften, selbst da, wo es keine gibt.