Kürzlich habe ich ein paar Tage in Köln verbracht. Auf Anregung meiner Kinder besuchte ich das Museum Kolumba. Zu sehen ist dort bis 15. August die Ausstellung „In die Weite“, eine historisch-ästhetische Annäherung an das vielfältige jüdische Leben in Deutschland, wie das neunköpfige Autorenteam des Vorworts schreibt.
Es ist, trotz aller Bescheidenheit der Autorinnen und Autoren, eine gewaltige Ausstellung geworden. Mir war es schlicht unmöglich, an einem einzigen Nachmittag mehr als einen kleinen Bruchteil der Exponate zu erfassen, geschweige denn, sie in ihrer Bedeutung wertzuschätzen.
Daher konzentrierte ich mich auf wenige Stücke, die mich stark ansprachen, und zu denen ich einen leichten Zugang fand. Es waren abstrakte und monochrome Bilder, von Václav Boštík, Peter Tollens, Dieter Villiger und anderen. Ich wechselte den Abstand zu den Bildern, betrachtete sie aus unterschiedlichen Winkeln, blieb ruhig vor ihnen stehen… und sie begannen zu „sprechen“. Das Seitenlicht legte die Unebenheiten ihrer Farbschichten frei, aus der Nähe zeigten sie verborgene Details. Wenn meine Augen die großen Leinwände erwanderten, begann die Farben lebendig zu werden. Die Präsenz dieser Bilder traf und bewegte mich.
Substanzlos und geisterhaft erschienen mir plötzlich meine digitalen Photographien. Sie sind nur Daten, beliebig manipulierbar, wesenlos. Das Bild vom Negativ, das Diapositiv, sie haben wenigstens einen Körper, etwas Materielles. In diesem Moment entstand eine Distanz zu meinem bisherigen fotografischen Tun.
Werde ich nun aufhören zu photographieren? Nein. Ich werde nach wie vor Bilder machen, aber mit mehr kritischem Abstand. Ich werde den Photoapparat (den digitalen) weiterhin als Werkzeug für dokumentarische – und vielleicht auch für künstlerische – Arbeiten verwenden. Doch darüber hinaus will ich die Geisterwelt der digitalen Bilder „gegen den Strich bürsten“ und sehen, ob es mir gelingt, dem Digitalen Leib und Seele zu geben.
Erste Schritte auf dieser Reise habe ich schon gemacht.
Recently I spent a few days in Cologne. At the suggestion of my children, I visited the Museum Kolumba. On view there until 15 August is the exhibition “Into the Expanse”, a historical-aesthetic approach to the diverse Jewish life in Germany, as the nine-member team of authors of the foreword writes.
Despite all the modesty of the authors, it has become an enormous exhibition. It was simply impossible for me to grasp more than a small fraction of the exhibits in a single afternoon, let alone appreciate their significance.
So I concentrated on a few pieces that appealed to me strongly and to which I found easy access. They were abstract and monochrome paintings, by Václav Boštík, Peter Tollens, Dieter Villiger and others. I changed the distance to the pictures, looked at them from different angles, stood quietly in front of them… and they began to “speak”. The side light exposed the unevenness of their layers of paint, up close they revealed hidden details. As my eyes wandered the large canvases, the colours began to come alive. The presence of these paintings struck and moved me.
Suddenly, my digital photographs seemed insubstantial and ghostly. They are only data, manipulable at will, insubstantial. The image from the negative, the slide, they at least have a body, something material. At this moment, a distance to my previous photographic activities arose.
Will I stop photographing now? No. I will still make pictures, but with more critical distance. I will continue to use the camera (the digital one) as a tool for documentary – and perhaps also for artistic – work. But beyond that, I want to “brush against the grain” of the spirit world of digital images and see if I can succeed in giving body and soul to the digital.
First steps I have already taken.
Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)
“Von daher denke ich auch, dass Haralds Gedanke ja nicht darauf abzielt das Analoge zu verherrlichen, sondern eher dahin geht sich die Unterschiede deutlich zu machen.”
Ich sehe das auch so, im Analogen sehe ich rückblickend viele Vorteile, ich habe viel nachdenklicher fotografiert als heute und es gab einen langsamen Herstellungsprozess (gemeinsame Nächte mit Fotofreunden in der Dunkelkammer), jetzt bin ich im Schnellimbiss und produziere viel Schund, aber zurück möchte ich nicht und dem Medium kann ich ja keine Schuld geben, ich muss wieder lernen konzentrierter und sparsamer zu fotografieren.
“Es gibt ja sogar Leute, die so weit gehen zu sagen, dass das, was wir im 21.Jahrhundert machen nicht mehr als Photographie bezeichnet werden sollte, da es weit über den ursprünglichen Rahmen hinausragt.”
Von P. Lunefeld hab ich dazu vor Jahren einen interessanten Artikel gelesen, wir müssen hinnehmen, dass die Photographie ihre (scheinbare) Selbständigkeit im digitalen Zeiten verloren hat, und als untergeordneter Teil von Computergrafik anzusehen ist.
Peter Lunenfeld : Digitale Fotografie. Das dubitative Bild. 2004
Ich kenne eine Halbtagsschriftstellerin, die es mit ihren Romanen bis auf die Stapeltische in den Buchhandlungen gebracht hat. Sie hat sich zum Schreiben immer in ein Café in ihrer südwestdeutschen Heimatstadt gesetzt und mit dem Stift in einer Kladde geschrieben. Ich persönlich habe seit gut 35 Jahren kaum noch einen Text über Postkartenformat hinaus mit der Hand geschrieben. Ich kann das gar nicht mehr, viel zu chaotisch. Schon dieser Kasten für die Texteingabe behindert meine Gedanken. Ich brauche die leere Seite eines Wortdokuments mit einer nichtproportionalen 12p Courier. Dann funktioniert der Kopf (besser).
Ich denke, das Medium ist nicht die Message. In der hübschen Kommunikationsraute, die ich am Anfang meines Studiums gelernt habe, steht beides zwischen den anderen zwei Ecken: Sender – Empfänger. Für mich ist das nach wie vor das zentrale Element. Es will etwas von mir hinaus zu jemand anderem.
Nachdem ich lange über deinen Beitrag nachgedacht und mehrmals zu einer Antwort angesetzt habe, frage ich mich plötzlich, ob ich denn überhaupt jemals ein Fotograf war oder eigentlich jemand bin, der die Kamera als Pinsel benutzt. Wenn ich etwas sehe, dass ich fotografieren will, geht es mir nicht um die Dokumentation dessen, was ich sehe, sondern darum, eine Bildidee möglichst nahe an meiner Vorstellung umzusetzen.
So gesehen war analoge Fotografie für mich immer der Hemmschuh und digitale Fotografie eine Befreiung.
Erstaunlicherweise hat das in den letzten Jahren dazu geführt, dass ich vom Prozess her einer “reinen Fotografie” näher gekommen bin als je zuvor. Dagegen erscheinen mit die SW-Film-Bilder, die ich im letzten Jahr aufgenommen habe, extrem gekünstelt.
Mich verwundert es so gesehen auch nicht, dass ich bei den “Künstlern” gelandet bin, also im Rahmen meiner Ateliergemeinschaft und mit Künstlern aus Fleisch und Blut. Meine Lieblingskünstlerin Renate beeinflusst mich mit ihrer Malerei; ich glaube, nur ihrer Bilder wegen habe ich vor fünfzehn Jahren überhaupt angefangen, wieder zu fotografieren. Digital. Getreu ihrem aktuellen Thema: “Alles fließt.”
Dein Kommentar hat mich nachdenklich gemacht, denn ich hab zwar auch jahrelang analog photographiert, aber immer im sehr begrenzten Rahmen der Familienphotos und Reisephotos zur Erinnerung. Das Übliche eben, nicht verwerflich, aber auch nicht so wirklich spannend. Erst das Digitale, von der ersten Fujipix 3MP Kamera bis heute hat mich dazu gebracht zu experimentieren, verschiedene Genres auszuprobieren, auch einen Haufen Mist zu photographieren, der immer noch irgendwo auf einer der Festplatten schlummert. Möglicherweise ist sogar der Gedanke, dass das Bild nur ein Rohstoff ist, aus dem man alles Mögliche machen kann, erst in der digitalen Sphäre so richtig zur Geltung gekommen (von ein paar Visionären wie David Hockney abgesehen). Von daher denke ich auch, dass Haralds Gedanke ja nicht darauf abzielt das Analoge zu verherrlichen, sondern eher dahin geht sich die Unterschiede deutlich zu machen. Es gibt ja sogar Leute, die so weit gehen zu sagen, dass das, was wir im 21.Jahrhundert machen nicht mehr als Photographie bezeichnet werden sollte, da es weit über den ursprünglichen Rahmen hinausragt.
Ich würde jetzt mal sagen: Nein, die Realität war (und ist) der Rohstoff. Blätter mal zum Spaß so was durch wie John Hedgecoe “Fotografie für Könner” (meine Bibel in den 80ern, jetzt für 5 Evronen bei ebay). Das zeigt ziemlich deutlich, was damals (ich glaub, Ende 70er) möglich war und gemacht wurde, immer mit ein paar Nackedeis, versteht sich. Trotz all der Techniken (vielleicht deswegen) ein sehr biederes Buch, zumindest aus der Rückschau. Aber eins wird da ja sehr deutlich: DU machst die Bilder, im Sinne von “du kreierst sie”.
Wenn du das noch kombinierst mit der sehr präzisen Feininger-Schule wirst du automatisch zum Manipulator …
Ja, Rendering hat sich als digitale Bilderstellung längst etabliert neben Fotografie und Malerei/Zeichnen und erzeugt einen bislang ungesehenen Realismus (was die Darstellung angeht). Die Kombination mit Fotografie … ich weiß auch nicht.
What I wanted to say: Es ist nicht die Technik, es ist die Absicht dahinter. Egal, wie es irgendwann jemand nennt, ich fotografiere (mit zwei F, gefühlt mit zwei PH). Digital. Ich möchte das verteidigen! (Verfasser nach Konsum mehrerer Dosen Bier verreist.)
Interessant, was Dich zum Schreiben anregt und was Deine Gedanken zum Fließen bringt! Bei mir sind es tatsächlich die Kladde und das leere Blatt Papier. Allerdings wird es danach digital: ich spreche die Texte via Mikrofon in die Textverarbeitung ein und formatiere den Text zum Korrigieren in Courier 12pt!
Aber zurück zum Fotografieren: Mir geht es darum, die Sehgewohnheiten zu erweitern. Das Einzelbild interessiert mich dabei immer weniger. Daher binde ich meine Bilder in Serien ein, in Multi-Media-Shows etc. Deine Serie “Tanz der Fähren”, mit der Du in Schömberg warst, geht ja auch gegen das Sehen, das von der Werbe-Ästhetik geprägt und verdorben ist.
Was meine neuen Experimente angeht, so hat sich herausgestellt, dass das viel Arbeit bedeutet.
Ich hänge mich mal an deinem Wort “anregt” auf: Nein, das ist nicht die Anregung, das ist die gefühlt optimale Durchführung. Die Anregung ist draußen in der Welt, und da bin ich ganz bei Flusser, ich möchte mich mit den anderen darüber verständigen. Als Individuum bin ich hilflos in meine Zweifeln verloren, wir müssen uns gegenseitig bestätigen.
Zurück zum Foten: Werbeästhetik ist ein zwiespältiger Begriff. Es gab Zeiten, da waren die Stilmittel der Werbeästhetik durchaus revolutionär, und ich habe mir die Cosmos von meiner potentiell aber nicht gewordenenen Schwiegermutter geliehen, um Anzeigen zu schauen.
Gedankensprung: Letztlich musst du (man) die Leute antatschen (oder wie schreibt man das), damit sie deine Bilder kaufen. Der Prozess ist ähnlich wie in der Werbung (manchmal durchaus aber auch überraschend). Ich persönlich für mich nenne das Fotodesign. Das ist eigentlich schon fast Werbeästhetik, nur authentisch.
Kaufen meine ich übrigens nicht nur rein monetär, auch inhaltlich.
((Ansonsten schicke ich das jetzt einfach ab trotz früher Morgenstund und hohen Alkoholpegel. Diese Diskussion, dieses Thema interessiert mich sehr))
Ich bin nur Gelegenheitsknipser. Darum kann ich gar nicht soviel dazu sagen. Ich tue es aber trotzdem. Rein technisch liegt doch die Auflösung sowohl analog als auch digital weit über dem, was unser Augen sehen kann, oder? Für mich zwei Dinge entscheidender: Das Motiv und die Fähigkeit zum Zoom. Wer ein Muster sieht oder einen Blickwinkel findet, der sonst im Vorbeigehen gleich wieder vergessen ist, es aber im Bild anpinnen kann, hat auch ein Talent für diese Kunst. Der Zoom ist ein Geschenk der Technik. Was wäre uns alles verborgen! Dein Versuch3 ist ein Besipiel für beides. Ich tippe auf Kaktus. Aber wer weiß. Es gibt diese Rätselbilder. Und wie ist damit: Ein Bild bleibt doch nur analog, wenn es auch auf Papier entwickelt wird und auch dort bleibt. Das ist sicherlich eine Rarität und die Künstler in der Kölner Austellung haben das wohl auch so gemacht.
Ich meine ist heutzutage eine Rarität…
Sobald ein digitales Bild ausgedruckt wird, bekommt es auch einen “Körper”, der fassbar ist. Und er ist der den natürlichen Kräften ausgesetzt: es wird altern, kann von der Wand fallen etc. Wegen dieser Körperlichkeit und trotz dieser Gefahren nehme ich gerne an Ausstellungen teil.
Das klingt recht spannend und auch ehrgeizig.
War da also doch eine Art Unbehagen da oder entstand diese erst durch die Ausstellung?
Ein zweites: ich mag es nicht, wenn ich zuviel Exponaten gegenüberstehe. Zwar kann man immer anführen: für jeden etwas, aber wer sagt denn, dass ich nicht alles ansehen möchte? Und das ist mir dann doch verwehrt.
Das Unbehagen rumort schon länger. Die Ausstellung war für mich der Auslöser für einen neuen Ansatz zur Fotografie. Ich werde Fotos von nun an noch bewusster und intensiver als Rohmaterial betrachten.