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Die Düsseldorfer Photoschule 2 The Struffskys

 

Die wahrscheinlich eigenwilligsten, aber auf jeden Fall erfolgreichsten Vertretern der Düsseldorfer Photoschule dürften wohl die von den Amerikanern „Struffkys“ genannten Herren Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky sein. Sie sind auch diejenigen denen ein großes Verdienst bei der Anerkennung der Photographie als eigene Kunstgattung zugeschrieben wird. Es ist nicht so dass es vor den achtziger Jahren keine Photographie in Museen und Ausstellungen gab, aber es war eine irgendwie gezähmte oft auf schwarzweiß und auf ein relativ kleines Format beschränkte im Rahmen mit Passepartout präsentierte Kunstphotographie. Weder die großen Formate noch die Farbe können als typisch für die Düsseldorfer Schule angesehen werden. Im Gegenteil. Bernd Becher war der Farbe gegenüber immer skeptisch und Versuche, die eigene Bilder größer zu präsentieren wurden z.T. wieder aufgegeben. Nichtsdestotrotz ist das eines der Merkmale, die mit dem internationalen Erfolg vor allem der `Struffsys´ assoziiert werden. Thomas Ruff begann als erster große Formate zu verwenden. Gursky und Struth folgten bald nach. Wie so oft hat man es wahrscheinlich getan, weil es jetzt möglich war. Spezielle Farblabore waren ab den Achtzigern in der Lage auch große Abzüge herzustellen. Große Formate mussten natürlich auch in großen Ausstellungen präsentiert werden und bekamen mehr Aufmerksamkeit, auch von Leuten, die sonst mit Photographie nicht viel auf dem Hut hatten.

Thomas Struth 

War einer der sehr frühen ‚ Schüler´, er hatte vorher schon bei Gerhard Richter studiert und sein Studium schon 1980 abgeschlossen. Struth hat verschiedene Richtung weiterentwickelt vom eher klassischen Straßenaufnahmen, die gut in die Bechersche Dokumentationsstrategie passten. Er suchte sich in den Städten Ecken raus, die nicht auf der Liste der Sehenswürdigkeiten stehen, aber für ihn interessant waren. Egal ob nun in Düsseldorf, Rom oder New York. Fast zu einem Markenzeichen wurden seine „Museums Photographs“, wo im Gegensatz zu den Straßen auch Menschen ihren Platz fanden. Aber eben auch immer nur sauber in die Gesamtkomposition sich einfügend. Aber Struth hat auch ganz eigene Familien-Portraits , Blumen (eine Auftragsarbeit für die künstlerische Ausgestaltung eines Krankenhauses in der Schweiz)  und in neuerer Zeit auch Industrieanlagen  in Korea und den USA photographiert und präsentiert. Leider hatte ich noch nie die Gelegenheit von ihm eine Einzelausstellung zu sehen. Das fände ich sehr spannend und fast unumgänglich, um wirklich ein Gefühl für das Werk zu bekommen. Da ist das Internet hilfreich, aber nicht ausreichend.

Probably the most idiosyncratic, but in any case most successful representatives of the Düsseldorf School of Photography are Thomas Struth, Thomas Ruff and Andreas Gursky, whom the Americans call “Struffkys”. They are also the ones to whom a great deal of credit is attributed for the recognition of photography as an art genre in its own right. It is not that there was no photography in museums and exhibitions before the 1980s, but it was a somehow tamed art photography often limited to black and white and to a relatively small format presented in a frame with a passe-partout. Neither the large formats nor the colour can be considered typical of the Düsseldorf School. On the contrary. Bernd Becher was always sceptical about colour and attempts to present his own pictures in larger formats were sometimes abandoned. Nevertheless, this is one of the characteristics associated with the international success of the ‘Struffsys’ in particular. Thomas Ruff was the first to start using large formats. Gursky and Struth soon followed. As is so often the case, they probably did it because it was now possible. Special colour laboratories were able to produce large prints from the eighties onwards. Of course, large formats also had to be presented in large exhibitions and received more attention, even from people who were otherwise not much into photography.

 

Thomas Struth

Was one of the very early ‘students’, he had already studied with Gerhard Richter and completed his studies in 1980. Struth developed different directions from the more classical street photography that fitted well into Becher’s documentation strategy. He sought out corners in the cities that were not on the list of places of interest but were interesting to him. No matter whether in Düsseldorf, Rome or New York. His “Museums Photographs”, where, in contrast to the streets, people also found their place, almost became a trademark. But the people always fit neatly into the overall composition.  Struth has also photographed and presented his own family portraits, flowers (a commissioned work for the artistic decoration of a hospital in Switzerland)  and, more recently, industrial plants  in Korea and the USA. Unfortunately, I have never had the opportunity to see a solo exhibition of his work. I would find that very exciting and almost unavoidable to really get a feel for the work. The internet is helpful, but not enough.

Thomas Struth `Audience 04+07´ (2004) seen in Düsseldorf 2020

Thomas Ruff 

Für Thomas Ruf habe ich ja den aktuellen Stand in meinem Artikel zu seiner großartigen Ausstellung im Sommer 2020 in Düsseldorf aus meiner Sicht zusammengefasst. Hier bleibt noch zu zeigen, wie sich das bis dahin bei Ruff entwickelt hat, und zwar aus ähnlichen Anfängen wie bei den anderen Photograph*innen. Er hat klassisch mit Interieurs angefangen, die allerdings auch schon eine ganz eigene Ausrichtung hatten. Dann kamen Porträts dazu, die, wie auch bei anderen Düsseldorfern, sich dem psychologisierenden Blick verweigern. Ruff hat als erster auch Selbstportraits und Doppelportraits verwendet. Seine „andere Portraits“ nehmen das Thema der Fahndungsphotos auf und konstruieren sozusagen fiktive Delinquenten. Nicht erst bei seinen grünen mit Restlichtverstärker aufgenommenen Nacht-Bildern entfernt er sich vom Darstellen und spielt mit den Seherwartungen der Rezipienten, die bei solchen Bildern immer eine Verbindung zu nächtlichen Kriegsaktionen oder Ermittlungen am Tatort herstellen. Meiner Ansicht nach ist Ruff einer der vielseitigsten und die verschiedensten Ausprägungen der Photographie am deutlichsten reflektierenden Künstler dieser Schule.

Thomas Ruff

For Thomas Ruf, I summarised the current state of affairs from my point of view in my article on his great exhibition in Düsseldorf in the summer of 2020. It remains to show how Ruff’s work has developed up to this point, from similar beginnings to those of the other photographers. He began classically with interiors, which, however, already had their own orientation. Then came portraits, which, as with other Düsseldorfers, refuse the psychologizing gaze. Ruff was the first to use self-portraits and double portraits. His “other portraits” take up the theme of mug shots and construct fictitious delinquents, so to speak. Not only in his green night pictures taken with residual light amplifiers does he move away from representation and plays with the visual expectations of the recipients, who always make a connection with such pictures to nocturnal war actions or crime scene investigations. In my opinion, Ruff is one of the most versatile artists of this school, reflecting the most diverse forms of photography very clearly.

Thomas Ruff `Tableau chinois 05a+05b´ seen in Düsseldorf, 2020

Andreas Gurski 

ist für mich am schwierigsten in diesen Schulzusammenhang einzubinden. Er hat relativ bald einen eigenen Stil entwickelt. Er operiert nicht mit Serien, sondern mit oft aus sehr vielen Einzelbilder verdichteten Bildern und überlässt es den Bild-Wissenschaftlern Werkgruppen zu definieren. Das Dokumentarische zeigt sich bei ihm, so erscheint es mir wenigstens, in seiner radikalen Brechung. Der Einsatz von Bildbearbeitung wirft beim Betrachter immer wieder die Frage auf, ob das Bild jetzt durch die Verdichtung auf seinen Kern zurückgeführt wird oder ob die Manipulation das Dargestellte aushöhlt.

Die Zeiten als Rhein II das teuerste Bild der Welt war, sind inzwischen vorbei, aber die Preise, die für Gurskys Bilder bezahlt werden, zeigen natürlich schon auch, dass diese Kunst- und damit Investitionsobjekte sind. Ein Stückchen weit hat es ja auch etwas von der Malerei, wenn mit dem digitalen Pinsel so lange die `richtigen´ Realitätsbruchstücke zusammengeschoben werden, bis dann tatsächlich ein Werk entsteht, dass die Welt noch gnadenloser zeigt als jedes Einzelphoto, das hätte tun können. Gursky spielt mit dieser Grenze der Glaubwürdigkeit. Was seinen Werken ein Stück weit gemeinsam ist, ist der Gigantismus: Außer in den ganz frühen Werken (z.B. Gasherd), die im Übrigen seine Prägung durch die bechersche Strenge noch sehr gut zeigen, muss alles irgendwie groß sein. Es lohnt sich auf seiner Homepage mal die Bilder chronologisch anzuschauen.

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich die letzte Einzelaustellung von Gursky in Baden Baden gesehen habe  aber inzwischen begegnen einem die Bilder ja eigentlich an verschiedensten Orten. So habe ich seine `Kathedrale´ im Schauwerk in Sindelfingen gesehen und seine Konzertbesucher (s.u.) Bei der ELECTRO-Ausstellung 2019 in Paris, die im Übrigen zur Zeit (mit weniger Daft Punk und mehr Kraftwerk) im Kunstpalast in Düsseldorf zu sehen ist.

In Duisburg läuft noch bis Anfang Januar die Gursky-Ausstellung, die letztes Jahr in Leipzig, seiner Geburtsstadt, zu sehen war.

Andreas Gurski 

is the most difficult for me to integrate into this school context. He developed his own style relatively soon. He does not operate with series, but with images often condensed from very many individual images and leaves it to the image scholars to define groups of works. The documentary, or at least that is how it appears to me, is revealed in his radical refraction. The use of image processing always raises the question in the viewer’s mind as to whether the image is now being brought back to its core through the condensation, or whether the manipulation is undermining what is being depicted.

The days when Rhein II was the most expensive painting in the world are over, but the prices paid for Gursky’s pictures show, of course, that they are art- and therefore investment objects. To a certain extent, it also has something of painting about it, when the ‘correct’ fragments of reality are pushed together with the digital brush until a work actually emerges that shows the world even more mercilessly than any individual photograph could have done. Gursky plays with this limit of credibility. What his works have in common to some extent is gigantism: apart from the very early works (e.g. Gasherd), which incidentally still show his imprint of Becher’s austerity very well, everything has to be big somehow. It’s worth taking a look at the pictures on his homepage chronologically.

It’s been quite a while since I saw Gursky’s last solo exhibition in Baden Baden, but in the meantime you come across his pictures in all sorts of places. I saw his ‘cathedral’ at the Schauwerk in Sindelfingen, for example, and his concert visitors (see below) at the ELECTRO exhibition 2019 in Paris, which is currently on show (with less Daft Punk and more Kraftwerk) at the Kunstpalast in Düsseldorf.

In Duisburg, the Gursky exhibition that was on show last year in Leipzig, his birthplace, will run until the beginning of January.

 

Andreas Gursky `Union Rave´ (1995) seen in Paris 2019

Bei der Frage: Was haben die Bechers eigentlich unterrichtet, dass ihre Schüler sich so erfolgreich weiterentwickelt haben, gibt es sicher bereits Versuche dies zu beschreiben. Mir kam die Idee einmal, ohne wirklich viel davon zu wissen, sozusagen nur aus der Retrospektive, von den Auswirkungen her ein paar Lehrsätze zu formulieren von denen ich denke, dass sie an der Wurzel dieses Phänomens stehen könnten:

  • Bleib dem ursprünglichen Sinn der Photographie zu dokumentieren treu
  • Wenn du etwas erzählen oder erklären willst, mach das in einer Serie
  • Frage dich immer, ob das wirklich dein Thema ist
  • Sei streng in der Komposition, überlasse nichts dem Zufall
  • Sei Streng bei der Auswahl. Limitiere deinen Output

Wahrscheinlich ist nie auch nur einer dieser Sätze als Lehrmeinung formuliert worden und vielleicht gerade deswegen scheint das der gemeinsame Kern zu sein, wenn es denn einen Solchen geben sollte.

When it comes to the question: What did the Bechers actually teach that made their students develop so successfully, there are certainly already attempts to describe this. I once had the idea, without really knowing much about it, from a retrospective point of view, so to speak, to formulate a few doctrines that I think could be at the root of this phenomenon:

o Stay true to photography’s original purpose of documenting.

o If you want to tell or explain something, do it in a series.

o Always ask yourself if this is really your subject matter

o Be strict in composition, leave nothing to chance.

o Be strict in your selection. Limit your output

Probably none of these sentences has ever been formulated as a doctrine, and perhaps that is why this seems to be the common core, if there is one.

Translated with the help of DeepL (https://www.deepl.com/en/translator)

 

3 Comments

  1. Andreas

    Für mich stand bei den Bechers (an sich) immer der Punkt im Vordergrund, dass neusachliche Dokumentation plötzlich zu Kunst umgedeutet wird, weil ein bestimmter Aspekt (Serialität) plötzlich zu einem zentralen Thema der Kunstwelt? des Kunstmarktes wird? Insofern erschien mir gerade Gursky als einer derjenigen, der am dichtesten an den späten Ideen der Bechers bleibt.

    Das Buch ist inzwischen auch angekommen, und nach erstem Durchblättern habe ich nur gedacht: Boah. Da ist echt viel Kunstfotografie drin. Super. Und es ist sehr schön gemacht. Danke für den Tipp.

    • Rolf Noe

      Das freut mich, wenn ich Anregungen geben kann. Bei mir lag das Buch tatsächlich eine ganze Weile eingeschweißt rum
      und wartete geduldig darauf, dass ich mir Zeit nehmen würde mich damit zu beschäftigen. Die Seuche verschaffte mir dann einen großen Freiraum, den ich dann zum Teil auch nutzen konnte. Ergebnis dieser ersten Runde der Auseinandersetzung sind die zwei Artikel, die aber das Phänomen auch nur anreißen. Es gibt auch durchaus über die erwähnten Künstler hinaus einige, die es verdienen würden auch genannt und gewürdigt zu werden. Mal schauen. Kommt vielleicht noch.

  2. kopfundgestalt

    Sei Streng bei der Auswahl. Limitiere deinen Output

    Das ist sicher immer eine gute Idee. Auch wenn man deutlich weniger zeigt, als man zeigen könnte.
    Man könnt bsp.weise im Louvre, falls das ginge, schauen, wie oft etwa ein kleines Format in den dortigen Gemäldegalerien angesehen wurde – da käme manches auf 3 – 5 Blicke bzw. Streifungen.

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