Die Düsseldorfer Kunstakademie (Quelle/source)
Erst anlässlich meines letzten Düsseldorf-Besuchs 2020 lernte ich, dass es vor den Photograph*innen schon eine Düsseldorfer Schule der Maler*innen gegeben hatte. Das soll uns aber nicht vom Thema ablenken. Unstrittig ist das diejenigen Photograph*innen, die zur Düsseldorf Schule gerechnet werden alle aus der Schule der Bechers hervorgegangen sind. Die 1976 für Bernd Becher eingerichtete Lehrstuhl für Fotografie an der Kunstakademie in Düsseldorf war die Brutstätte. Bis 1998 wurden hier 87 Photgraph*innen von dem Bechers ausgebildet. Wir wollen hier nicht näher auf die Bechers und ihr Werk eingehen, zumal wir an anderer Stelle schon mit den Nachwirkungen in den `social media´ beschäftigt haben.
Stefan Gronert weist in seiner Einleitung zum Buch “Die Düsseldorfer Photoschule” darauf hin, dass weder der Begriff `Becher-Klasse´ noch die `Düsseldorfer Photoschule´ geeignet sind die so bezeichneten Künstler gut zu erfassen. Schließlich sind sie alle erst bedeutsam geworden, lange nachdem sie in Düsseldorf gelernt haben. Außerdem ist es schwierig die Sparte Photographie von den anderen Künstlerischen Aktivitäten in Düsseldorf abzugrenzen. Offensichtlich war das insgesamt eine für die Kunst förderliche Atmosphäre.
Interessant ist für mich, dass hier nicht versucht wurde, die Fotografie als Kunstform zu etablieren, indem man sie dem Dokumentarischen gegenüberstellte, wie etwa in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nein, hier war der Ausgangspunkt die strenge, serielle, dokumentarische Photographie der Bechers. Von hier aus haben sich die der Düsseldorfer Schule zugeordneten Photographen weiterentwickelt. Jeder in seine spezielle Richtung. Bis weit in die 90er Jahre hinein, aber eben weiter unter dem Düsseldorfer Label.
It was only on the occasion of my last visit to Düsseldorf (link) that I learned that there had already been a Düsseldorf school of painters before the photographers. But that should not distract us from the topic. It is indisputable that the photographers who are counted as part of the Düsseldorf School all emerged from the Bechers’ school. The chair of photography established for Bernd Becher in 1976 at the Düsseldorf Art Academy was the breeding ground. Until 1998, 87 photographers were trained here by the Bechers. We do not want to go into detail about the Bechers and their work here, especially as we have already dealt with the aftermath in the social media elsewhere .
Stefan Gronert points out in his introduction to the book “The Düsseldorf School of Photography” that neither the term ‘Becher class’ nor the ‘Düsseldorf Photo School’ are well suited trms to capture the artists so designated. After all, they all became significant long after they had studied in Düsseldorf. Moreover, it is difficult to distinguish the field of photography from the other artistic activities in Düsseldorf. Obviously, the overall atmosphere was conducive to art.
What is interesting to me is, that there was not an attempt to establish photography as an art form by contrasting it with documentary photography, as was the case in the USA in the first half of the 20th century. No, the starting point here was the strict, serial, documentary photography of the Bechers. From here, the photographers associated with the Düsseldorf School developed further. Each in their own special direction. Until well into the 90s, but still under the Düsseldorf label.
Hilla und Bernd Becher, Erasmus Preis 2002 (Quelle/source)
Ich beschränke mich in meiner Aufzählung auf die von Stefan Gronert getätigte Auswahl an Photograph*innen, da ich finde, dass man anhand dieser Auswahl gut nachvollziehen kann wie unterschiedlich die Wege verlaufen sind und vielleicht eine Idee davon bekommt was trotzdem noch mit den gemeinsamen Wurzeln zu tun hat.
Candida Höfer entwickelte sich von den Außenansichten zu den öffentlichen Innenräumen (Bibliotheken, Museen, Zoos etc.) und von den Becherschen Gesamtansichten hin zu komponierten Teilansichten, was einerseits zwangsläufig ist, da sich Innenräume damals nicht in ihrer Gesamtheit darstellen ließen, andererseits aber den kreativen Spielraum durch die Wahl des Ausschnittes erweitert.
Axel Hütte startete mit weniger erfolgreichen Versuchen sachlicher Portraits ging dann aber über zu einigen Weiterentwicklungen des dokumentarischen Blicks mit Stadtansichten, architektonischen Elementen in Landschaften und scheinbar reinen aber immer irgendwie irritierenden Landschaften.
Petra Wunderlich bleibt formal nahe bei den Bechers, mit schwarz-weiß und strengen Perspektiven, thematisch allerdings mehr auf Teilansichten von Kirchen und Steinbrüchen konzentriert . Besonders die Steinbrüche sind beeindruckend, da es unheimlich schwierig ist sie einigermaßen spannend darzustellen.
Simone Nieweg widmet sich fast ausschließlich den farbigen Darstellungen von Schrebergarten und anderen von Menschen bestellten Flächen. In ihren Bildern vereinigen sich das Dokumentarische und das Lyrische.
Laurenz Berges setzt eine Tradition fort und Intensiviert diese, indem er die (Menschen)leere in seinen Bildern auf die Spitze treibt. Und gerade in diese Leere erzählen die Bilder ihre Geschichte. Auch er geht aber weg von der becherschen Gesamtsicht und fokussiert auf wohlgesetzte Ausschnitte.
Elger Esser hat sich vorwiegend mit Landschaft und vom Menschen geformter Landschaft beschäftigt. Diese oft von Postkarten stammenden Motive werden entzeiticht und entfärbt bis sie einen fast romantischen Eindruck hinterlassen, der dazu einlädt über historische und gegenwärtige Sehgewohnheiten nachzudenken. Was hier scheinbar vom Dokumentarischen abrückt beinhaltet also trotz alledem eine Einladung zur Reflexion.
Jörg Sasse entfernt sich vielleicht am weitesten von den Lehrern. Bildquellen sind sehr unterschiedlich, werden aber in einem langen Auswahlprozess und einem relativ intensiven Bearbeitungsprozess zu den Werken, die dann zur Präsentation gelangen. Dabei werden die Bilder anders als bei Gursky oft nicht bearbeitet und sie deutlicher zu machen, sondern eher um sie zu veruneindeutigen. Auch für die Präsentation seiner Bilder hat er neue Formen gefunden, auf die es sich lohnen würde gesondert einzugehen.
Dies sind nur einige der Gedanken, die mir in der Auseinandersitzung mit dem Buch “Die Düsseldorfer Photoschule” und den darin gezeigten Bildern eingefallen sind. Vielleicht komme ich nächstes Jahr dazu, mich mit dem einen oder anderen der Künstler ausführlicher zu beschäftigen. In einer zweiten Folge werde ich mich mit den wahrscheinlich eigenwilligsten, aber auf jeden Fall erfolgreichsten Vertretern dieser Schule (Thomas Struth, Thomas Ruff, Andreas Gursky) beschäftigen.
In my list, I will limit myself to the selection of photographers made by Stefan Gronert, because I think that this selection makes it easy to understand how different the paths have been and perhaps gives an idea of what still has to do with the common roots.
Candida Höfer developed from exterior views to public interiors (libraries, museums, zoos, etc.) and from Becher’s overall views to composed partial views, which on the one hand is inevitable because interiors could not be depicted in their entirety at the time, but on the other hand expands the creative scope through the choice of detail.
Axel Hütte started with less successful attempts at objective portraits, but then went on to some further developments of the documentary view with city views, architectural elements in landscapes and seemingly pure but always somehow irritating landscapes.
Petra Wunderlich remains formally close to the Bechers, with black and white and strict perspectives, but thematically more concentrated on partial views of churches and quarries. The quarries are particularly impressive, as it is incredibly difficult to depict them in a reasonably exciting way.
Simone Nieweg devotes herself almost exclusively to colourful depictions of allotments and other areas cultivated by people. Her pictures combine the documentary and the lyrical.
Laurenz Berges continues a tradition and intensifies it by taking (human) emptiness to the extreme in his pictures. And it is precisely into this emptiness that the pictures tell their story. But he, too, moves away from Becher’s overall view and focuses on well-placed details.
Elger Esser has mainly worked with landscape and landscape shaped by man. These motifs, often taken from postcards, are de-temporalised and decolourised until they leave an almost romantic impression that invites us to reflect on historical and contemporary visual habits. What seems to be a departure from the documentary here thus contains, despite everything, an invitation to reflection.
Jörg Sasse perhaps departs furthest from the teachers. Image sources are very different, but in a long selection process and a relatively intensive editing process, they become the works that are then presented. In this process, unlike with Gursky, the images are often not edited to make them clearer, but rather to make them less clear. He has also found new forms for the presentation of his pictures, which would be worth discussing separately.
These are just some of the thoughts that occurred to me during my discussion of the book “The Düsseldorf School of Photography” and the pictures shown in it. Perhaps next year I will have the opportunity to deal with one or the other of the artists in more detail. In a second series, I will deal with the probably most idiosyncratic but in any case most successful representatives of this school (Thomas Struth, Thomas Ruff, Andreas Gursky).
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Vielen Dank für den Hinweis auf das Buch. Ich habe es mir mal bestellt. Was du über die Homogenität der Klasse/ Schule schreibst, war mir auch schon in der Ausstellung “Photografien werden Bilder” aufgefallen. Wenn ich den Katalog so durchblättere, habe ich zwar den Eindruck, das neusachliche Neues Sehen habe ganz schön auf die Schüler abgefärbt, (bis hin Schüler-Schülern wie z.B. Ralph Brück), gleichzeitig setzen sie aber eigenes Ansätze um. Gerade bei Gursky und Höfer, die ja so ungefähr das gleiche Sujet beackern wie die Bechers, erscheinen mir ihre Arbeiten immer auch eine Auseinandersetzung mit der Strenge ihrer Lehrer, bei Gursky durch das verdichtende Faken, bei Höfer durch die eingebauten Störungen und Irritationen in vielen Bildern. Gleichzeitig versuchen beide, das Serielle, das bei den Bechers erst die Kunstgehalt generierte, in einem Bild umzusetzen.
Bin gespannt auf Teil 2.
Ansonsten wünsche ich schon mal frohe Feiertage und bedanke mich für dein schönes Blog, bei dem ich immer gerne mitlese! LG, Andreas
Vielen Dank für den Hinweis auf die Ausstellung von 2017, die war mir bisher entgangen, scheint aber eine großartige Zusammenschau gewesen zu sein. Hab mir mal das Video dazu angeschaut (https://www.staedelmuseum.de/de/fotografien-werden-bilder) zudem gibts zu den einzelnen Künstler*innen noch Videos.
Finde auch deine Gedanken des Verdichtens als Äquivalent zur Serie ganz anregend, zumindest bei Gursky geht das ja bis in die technische Herstellung hinein. Es sind ja tatsächlich Serien von Bildern die in Eins gebracht werden.
Ausser den Bechers sind mir nur noch Thomas Struth und Thomas Ruff bekannt, sie waren ja m.E. immer stark vertreten.
Die anderen Namen werde ich mir anhand einiger Beispiele anschauen.
In Düsseldorf ist auch manche anspruchsvolle Kunstausrichtung zuhause. Tony Cragg z.b. unterrichtete an der Kunstakademie Düsseldorf.
Ja klar, das würde einigermaßen den Rahmen sprengen, Alle zu erwähnen. Da war ja auch Beuys (https://photo-philosophy.net/zeig-deine-wunde-show-your-wound-joseph-beuys/) und auch andere Photograph*innen wie z.B. Katharina Sieverding (https://photo-philosophy.net/kunst-lohnt-sich-immer-art-is-always-worth-it-katharina-sieverding/) Ich denke das hat dazu beigetragen, dass sich jede*r anders orientieren konnte. Es war der künstlerische Rahmen in dem Photpgraphie sich als Kunst endgültig etablieren konnte.