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Es ist ein Thema, dass mich seit unserem Dialog nicht loslässt. Nämlich die Frage, ob mein Unbehagen nicht schon vor einem halben Jahrhundert sehr genau beschrieben wurde, und zwar von Marshall McLuhan irgendwo in seinem unübersichtlichen Werk, das sich auf seine ganz spezielle Art mit der Geschichte der Medien auseinandersetzt. Nun fällt es mir zugegebenermaßen sehr schwer McLuhan wirklich zu lesen. Die Texte kommen mir vor als habe er bevor er sich zum Schreiben hinsetzte erst mal ordentlich einen durchgezogen und dann erst losgelegt. Aber vielleicht war er ja auch einfach ein Chaot oder es ist wirklich so, wie er gelegentlich behauptet, dass sich das Thema nicht anders als fragmentarisch darstellen lässt.
Ich werde mal versuchen, meine Gedanken, weitgehend ohne eine Relektüre der Originaltexte, zu formulieren und mich wo nötig auf Friedrich Kittlers Berliner Vorlesungen von 1999 über optische Medien stützen.
Es geht konkret um zwei Begriffe bzw. Thesen. Die eine ist die, von den heißen und den kalten Medien und besagt, dass kalte Medien mit einem eingeschränkten Detailreichtum eine aktive Beteiligung des Benutzers erfordern, da sie auf einem relativ `schmalen´ Kanal senden und dass heiße Medien in der Regel aufgrund ihres Detailreichtums wenig auf die Mitwirkung des Benutzers angewiesen sind. Als Beispiel nennt er das kalte Telephon und das heiße Radio. Aber schon beim zweiten Beispiel wird deutlich, dass die Einordnung sich auch historisch verändern kann. Er nennt das Fernsehen im Gegensatz zum Film ein kaltes Medium. Das mag in der Zeit der Flimmerkisten noch gegolten haben, aber heute ist der Detailreichtum des Fernseherlebnisses sicher mit dem des Films vergleichbar. Wir halten fest, dass je mehr Details ein Medium unseren Sinnen bietet, desto weniger Beteiligung wird vom Rezipienten verlangt. Man würde mit heutigen Begriffen vielleicht noch ergänzen, dass ein Medium uns umso passiver mach je immersiver es ist.
Die zweite These ist die, dass ein neues Medium immer mindestens ein Altes schluckt und bis auf einen meist unerheblichen Rest überflüssig macht.
Als die Menschen, wahrscheinlich irgendwo in Kleinasien, anfingen, Dinge aufzuschreiben wurde im Medium der Schrift die gesprochene Sprache der mündlichen Tradition in einem neuen Medium transportiert. Der Buchdruck ermöglichte es diese Texte in diesem neuen Medium noch besser zusammenzufassen und zu speichern.
Dialogische Formen der gesprochenen Sprache und des Gesangs wurden (siehe Nietzsches „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ in dem neuen Medium des Theaters aufgenommen und weiter verarbeitet. Filme waren anfangs nicht viel mehr als aufgezeichnete Theaterszenen. Natürlich hat sich der Film dann weiterentwickelt aber das “Drama” ist immer noch ein zentraler Bestandteil der meisten Filme. Das Fernsehen wiederum hat als neues Medium Film und Theater (und noch einiges mehr) geschluckt und in seine Logik integriert. Im Internet können wir heute all das und einiges mehr abrufen. Das ist das neueste Medium und hat fast alle anderen Medien integriert. Musik und gesprochenes Wort werden auf Tonträgern transportiert und gespeichert diese wiederum im Radio abgespielt, Filmen hinterlegt und all das heute in Podcast oder Videos im Internet auf eine weitere Stufe gehoben.
Die Fotografie schluckt einen guten Teil der Malerei (z.B. Portrait-, Landschafts- und Eventmalerei) und wird selbst dann in Medien wie Fotobuch, PowerPoint-Präsentationen, Diashow und natürlich in den Photo-Plattformen im Internet integriert. So kann man für fast alle Medien zeigen, dass sie ihre Vorläufer fressen, nicht ganz rückstandslos im Übrigen. Was bleibt ist ein Rest der in der hergebrachten Form weiter praktiziert wird. Ein schönes Beispiel dafür ist die Reiterei. Pferde wurden als Transportmedium und Kriegsgerät von Eisenbahn, Automobil und Panzer abgelöst. Trotzdem wurden die Pferde weiter gezüchtet und gehalten und für Springreiten und andere Hobbyreitarten eingesetzt.
Da taucht für mich natürlich auch sofort die Frage auf, ob die Fotografie oder zumindest die Fotografie mit Kameras nicht auch das Hobby-Überbleibsel eines schon längst von Multimedia-Formen und Videos im Internet eingeholten Mediums ist? Photographie ist heute gegenüber den multimedialen oder gar immersiven Medien wie etwa den Virtual Reality Umgebungen ein kaltes und überholtes Medium oder sagen wir mal besser so: Es wird immer schwieriger die Photographie in ihrer Besonderheit gegenüber den breiter aufgestellten Medien zu behaupten.
It is an issue that has been on my mind since our dialogue. Namely the question of, whether my uneasiness was not already described in great detail half a century ago by Marshall McLuhan somewhere in his confusing work, which deals with the history of the media in his very special way. Now I have to admit that I find McLuhan very difficult to read. The texts seem to me as if he first had a good go at weed before he sat down to write and only then got started. But maybe he was simply a chaotic person or it is really the way he occasionally claims, that the subject cannot be presented in any other way than fragmentary.
I will try to formulate my thoughts largely without a rereading of the original texts and, where necessary, rely on Friedrich Kittler’s 1999 Berlin lectures on optical media.
In fact there are two terms or theses. The first is that of hot and cold media and states that cold media with a limited richness of detail require the active participation of the user, as they broadcast on a relatively ‘narrow’ channel and the hot media, due to their richness of detail, are usually less dependent on the participation of the user. As an example he cites the cold telephone and the hot radio. But the second example already shows that the classification can also change historically. In contrast to film, he calls television a cold medium. This may have been true in the days of the flicker boxes, but today the richness of detail of the television experience is certainly comparable to film. We maintain that the more details a medium offers our senses, the less participation is required of the recipient. With today’s terms one would perhaps add that the more immersive a medium is, the more passive it makes us.
The second thesis is that a new medium always swallows at least one old one and makes it superfluous except for a mostly insignificant rest.
When people, probably somewhere in Asia Minor, started to write things down, the spoken language of the oral tradition was transported in a new medium. Letterpress printing made it possible to summarize and store these texts even better in this new medium.
Dialogical forms of spoken language and singing (see Nietzsche’s “The Birth of Tragedy from the Spirit of Music”) were taken up and further processed in the new medium of theatre. Initially, films were little more than recorded theatre scenes. Of course, the film developed further, but the “drama” is still a central part of most films. Television, in turn, has swallowed film and theatre (and much more) as a new medium and integrated them into its logic. Today we can access all this and much more on the internet. This is the latest medium and has integrated almost all other media. Music and the spoken word are transported and stored on sound carriers, which in turn are played on the radio, serve as soundtracks in films and all this is now taken to the next level in podcasts and videos on the internet.
Photography swallows a good part of painting (e.g. portrait, landscape and event) and is even then integrated into media such as photo book, PowerPoint presentations, slide show and of course the photo platforms on the Internet. In this way it can be shown for almost all media that they eat their predecessors, not without residue in the rest. What remains is a remnant of the traditional form of practice. A nice example of this is the horse riding. Horses have been replaced as a means of transport and war material by railways, automobiles and tanks. Nevertheless, horses were still bred and kept and used for show jumping and other hobby riding.
Of course, the question immediately arises for me whether photography, or at least photography with cameras, is not also the hobby remnant of a medium that has long since been caught up by multimedia forms and videos on the Internet? Photography today is a cold and outdated medium compared to the multimedia or even immersive media such as virtual reality environments. Or let’s say better, it is becoming more and more difficult to assert the special nature of photography against the more broadly based media.
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source: https://www.medienpaedagogik-praxis.de/2015/02/19/papp-vr-datenbrillen-einfach-selber-machen/o.
Herzlichen Dank für diese klipp- und klare Aufarbeitung! Mit der Malerei hänge ich noch ein Stückchen mehr im “kalten” Bereich. “Nie mehr einen Pinsel” – schwor ein Künstlerfreund schon vor vielen Jahren und meinte damit: dies lächerlich altmodische Ding hat mir nix mehr zu sagen. Nun wird aber, ganz unabhängig vom Herstellungsprozess, die gesamte Malerei heute vor allem in digitalisierter Form sichtbar gemacht, konsumiert und also “gefressen”. Ich habe versucht mich darauf einzustellen, indem ich hybride schnell vergängliche Kunstformen (Collagen aus Materialien, Foto, Malerei, Wort) entwickle, die als Original gar nicht vorhanden sind, sondern ausschließlich als Scheinrealität durchs Internet transportiert werden. Dass ich darin ganz handfeste Materialien (zB Stein) und alte Techniken (zB Handzeichnung) verwende, soll den Schein aufbrechen bis hinunter zur Naturform, zB dem Stein, den du in die Hand nehmen und befühlen kannst. Und da ist dann wieder die aktive Beteiligung des Betrachters erwünscht,denn er soll den Prozess vom Sein zu Schein und wieder zurück möglichst mitverfolgen.
Ich wollte die `überholten´ Medien damit nicht diskreditieren. Aber vielleicht muss man, wenn man nicht gefressen werden will, sich auf die den Medien adäquaten Präsentationsformen zurückbesinnen. Also, dass man um eine Skulptur drum rumgehen können muss oder dass ein Bild, gemalt oder photographiert, erst wirklich gut wirkt, wenn es einen, seiner Bedeutung angemessenen, Platz an der Wand einer Ausstellung oder eines anderen Raumes einnehmen darf. Dass, ein Musikerlebnis im Augenblick des Entstehens einen ganz anders `umhaut´ als wenn man es sich als YouTube-Video auf dem Smartphone anschaut. Zurzeit wird uns das ja ganz schmerzhaft bewusst. Ich freu mich jetzt schon auf die erste Ausstellung danach, auf das erste Konzert.