Endlich Mal ein Samstag frei, um die Segnungen des 9 € – Tickets genießen zu können, bevor es wieder verschwindet. Also, ab zur nächsten S-Bahnstation und rein ins Vergnügen. Ich lass mir weder durch die lange Fahrzeit noch durch die abenteuerlichen Fußgänger-Umleitungen am Stuttgarter Hauptbahnhof den Spaß verderben, sondern wandere auf wackligen Stegen durch den Schlosspark Richtung Staatsgalerie. Dann nur noch einen Weg durch die S-Bahn-Baustelle finden und schon ist man da. Für die Anfahrt per Öffis gibt’s an der Kasse 33,3% Rabatt. Auch eine gute Idee. Dann schnell zur Gällery, das ist nämlich mein Ziel. Hier war ich schon anlässlich der ersten Ausstellung, die mir recht gut gefallen hat. Die zweite Ausstellung heißt, und das wundert auch keinen Identitätssucher mehr “WHO AM I? IAM.” Damit wird ein Format installiert, bei dem eine ortsansässige Galerie die Gelegenheit bekommt, einige der eigenen Künstler ins Gespräch zu bringen. Es beginnt die Galerie Kernweine, von der ich zwar schon mal gehört habe, die ich aber nicht kenne.
Es werden im ersten Raum Bilder von dem chinesischen Photographen Lin Zhipeng gezeigt. Die Themen erinnern ein wenig an Ren Hang sind aber breiter gefächert und auch die Bilder sind sehr unterschiedlich. Neben chinesischer Haut sieht man auch viel Gemüse und fragt sich was dieses im Schlafzimmer verloren hat. Goldfische in der Plastiktüte? Naja, das gehört halt auch dazu.
Finally, a Saturday off to enjoy the blessings of the €9 ticket before it disappears again. So, off to the next S-Bahn station and into the fun. I don’t let the long journey time or the adventurous pedestrian diversions at Stuttgart’s main station spoil my fun, but walk on wobbly footbridges through the Schlosspark towards the Staatsgalerie. Then just find a way through the S-Bahn construction site and you’re there. There’s a 33.3% discount at the ticket office for taking the public transport. Also a good idea. Then quickly to the Gallery, which is my destination. I was here for the first exhibition, which I liked very much. The second exhibition is called, and no identity seeker will be surprised, “WHO AM I? IAM.” This installs a format in which a local gallery gets the opportunity to bring some of its own artists into conversation. It starts with the Kernweine Gallery, which I’ve heard of but don’t know.
There are pictures by the Chinese photographer Lin Zhipeng in the first room. The themes are somewhat reminiscent of Ren Hang, but they are broader and the pictures are also very different. Besides Chinese skin, one also sees a lot of vegetables and wonders what they are doing in the bedroom. Goldfish in a plastic bag? Well, that’s just part of it.
Thalia Gochez aus Los Angeles in Raum zwei der Ausstellung photographiert Frauen. Entsprechend ihren mexikanischen und salvadorianischen Wurzeln setzt sich auch die Community zusammen, aus der ihre „Models“ stammen und mit denen sie auch nach dem Photographieren verbunden bleibt. Ein bunter Reigen von Identitäten, die sich alle selbstbewusst in Szene setzen (lassen). Genial auch die Hängung, bei der Reihen von relativ kleinformatigen Bildern in wandfüllende Portraits reinlaufen.
Thalia Gochez from Los Angeles in room two of the exhibition photographs women. According to her Mexican and Salvadorian roots, thats also the community from which her “models” come, and with which she remains connected also after taking her photographs. A colourful array of identities, all of which (allow) themselves to be staged with self-confidence. The hanging is also ingenious, with rows of relatively small-format pictures running into wall-sized portraits.
Carlota Guerrero aus Barcelona darf den nächsten Raum bespielen und tut dies auf eine Weise, die mal wieder zeigt, wie belebend eine vielfältige, überraschende Präsentation sein kann, vor allem wenn es sich um das Zeigen von Bildern handelt. Es gibt ganz normale Bilder, Inszenierungen von weiblicher Ermächtigung, an der Wand, es gibt aber auch ein Video von einer Gruppe Frauen, die allesamt nackt auf wuchernden Wurzeln von Bäumen am Ufer eines Flusses sitzen und sich nur minimal bewegen, präsentiert auf einem bodennahen Monitor. Es gibt ein Bild zweier weiblicher Körper, das liegend präsentiert wird, als läge es auf einem Stapel plakatgroßer Bilder. Und es gibt ein faszinierendes, wand füllendes Bild von femininen Verflechtungen. Unbedingt sehenswert. Am irritierendsten ist, dass bei einer Bildserie von steinernen und fleischernen Vorder- und Hinterteilen eine Frauenfigur steht, die sich mit einer Hand an der Wand abstützt und mit der anderen eine üppige Venussteinplastik (Die von Willendorf) hält. Vergleich der Selbstrepräsentation über die Jahrtausende hinweg.
Carlota Guerrero from Barcelona is allowed to play the next room and does so in a way that once again shows how invigorating a diverse, surprising presentation can be, especially when it comes to showing images. There are ordinary images, stagings of female empowerment, on the wall, but there is also video of a group of women, all sitting naked on the sprawling roots of trees on the banks of a river, moving only minimally, presented on a monitor near the floor. There is an image of two female bodies presented lying down, as if on top of a pile of billboard-sized images. And there is a fascinating wall-filling image of feminine entanglements. Absolutely worth seeing. Most irritatingly, in a series of images of stone and flesh front and back, there is a female figure standing, propped against the wall with one hand and holding a voluptuous Venus stone sculpture (by Willendorf) with the other. Comparison of self-representation over the millennia.
Schließlich Slava Mogutin, in Sibirien geboren, in den USA wohnend, war einer der Ersten, denen politische Asyl wegen homophober Verfolgung gewährt wurde. Er schreibt und photographiert. Die Serie `Lost Boys´ zeigt auf farbigen Drucken eine irgendwie verlorene oder besser sich suchende Jugend in Russland und in der Ukraine vor 2014 während in der Serie `Polaroid Rage´ auf in Vierergruppen angeordneten Polaroids Portraits von Künstlern und Freunde aus den queeren Szenemillieus von Berlin, New York und Los Angeles zu sehen sind. Mogutins Slogan: „I Transgress, Therefore I Am.“
Finally, Slava Mogutin, born in Siberia and living in the USA, was one of the first to be granted political asylum for homophobic persecution. He writes and photographs. The series ‘Lost Boys’ shows in colour prints a somehow lost or rather searching youth in Russia and Ukraine before 2014, while the series ‘Polaroid Rage’ shows portraits of artists and friends from the queer scene milieus of Berlin, New York and Los Angeles on Polaroids arranged in groups of four. Mogutin’s slogan: “I Transgress, Therefore I Am.”
Alle vier Positionen eint die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität anhand der identitätsstiftenden und selbstermächtigenden Gesten, Kleidungsstücke, Haltungen und Accessoires. Dieses Ringen um die Anerkennung der eigenen Identität ist vor allem für Menschen, die ausgegrenzt oder abgewertet wurden, wichtig und es ist schön, dass es zunehmend gehört wird.
Dass es aber auch um die Identität aller Anderen, vor allem der Museumsbesucher nicht besonders gut bestellt ist, kann man im letzten Raum der Ausstellung erleben. Hier wird noch einmal die Frage gestellt „WHO AM I?“ und als Antwort darf man dann in einen Photoautomat sitzen und für einen Euro vier Grimassen aufnehmen und an die Wand kleben. Das dafür vorhandene Klebeband darf man dann auch noch dazu verwenden, eine Botschaft zu kleben. Das bin also ich! Echt?
All four positions are united by the struggle with one’s own identity on the basis of identity-creating and self-empowering gestures, items of clothing, attitudes and accessories. This struggle for the recognition of one’s own identity is especially important for people who have been marginalised or devalued, and it is nice that it is increasingly being heard.
But that the identity of all others, especially museum visitors, is not in particularly good shape can be experienced in the last room of the exhibition. Here, the question “WHO AM I?” is asked once again, and as an answer you can sit in a photo booth and, for one euro, take four grimaces and stick them on the wall. You can also use the adhesive tape to stick a message on the wall. So that’s me! Really?