Ein Kunstwerk von Bernd Hennig in seiner derzeitigen Austellung im Reuchlinhaus Pforzheim
Kürzlich gab es von Olympus eine Software herunterzuladen, mit der man seine OMD- Kamera als Webcam einsetzen kann. Ist das nicht strange? Warum soll ich meinen teuren Photoapparat als Webcam einsetzen? Mein initiales Unverständnis wich langsam kaltem Grauen und der Erkenntnis, dass ich nicht nur meinen teuren Photoapparat und die ganzen damit gemachten Bilder auf den Müll schmeißen kann, sondern mich selbst als Photograph dann gleich mit. Denn man ist heut nicht mehr Photograph, man ist YOUTUBE-Star. Man macht nicht mehr Bilder sondern filmt sich mit seinem Photoapparat.
Möglicherweise ist es ja nur der Neid, der mich veranlasst, die YouTube-Begeisterung die zwischen sehr breiten Schichten der Gesellschaft ergriffen hat herabzuwürdigen. Vielleicht sollte ich eher zugeben, dass ich erfolgreicher wäre, wenn ich mich vor ein Bücherregal setzen und den Blog mündlich vor der Kamera abliefern würde. Harald ist da ein wenig mutiger als ich.
Ich aber habe es anders entschieden und deshalb ist es jetzt anders. Texte und (Stand-)Bilder statt Gesprochenem auf bewegten Videoclips. Aber warum wollte ich es (und will es immer noch) so?
Ich will die Rezipienten vor allem auf der Ebene des Verstandes ansprechen und zum mit-denken, mit-phantasieren anregen. Dazu sind Texte besser geeignet als das gesprochene Wort, selbst wenn genau derselbe Text vorgelesen wird. Der geschriebene Text aktiviert den Verstand und die Phantasie, das gesprochene Wort (vor allem wenn man den Sprecher auch noch sprechen sieht) gleichzeitig immer noch eine, wie auch immer geartete, unmittelbar emotionale Komponente. Der Text wird in der eigenen Geschwindigkeit gelesen und verdaut, im Video bekomme ich den Prozess serviert und muss ihm, abgesehen von Werbe-Pausen und Rückspulmöglichkeit, folgen.
Die Pausen, die das geschriebene Wort erlaubt, begünstigen die Reflektion. Die Rede, vor allem wenn sie mitreißend ist, lässt wenig Zögern zu. Das wussten vor Hitler – der sich mit Hilfe des Radios in die Seelen der Deutschen geschrien hat – auch schon die alten griechischen Sophisten. Sie ließen sich dafür bezahlen, einen Standpunkt so zwingend in Rede umzusetzen, dass die Menge zustimmen musste. Und dann kam Plato und ließ seine Bauchredner-Puppe Sokrates die komische Idee von der Wahrheit entwickeln. Das war ungefähr der Übergang von der gesprochenen zur geschriebenen Traditionspflege. Die Wahrheit ist etwas, das festgeschrieben werden muss. Solange noch die mündliche Debatte tobt (wie beim lebendigen Sokrates) gibt es immer nur verschiedene Standpunkte, die miteinander konkurrieren.
In meinem Philosophiestudium habe ich die christliche Philosophie komplett ausgelassen. Ich habe bei Plato aufgehört und dann erst wieder bei Schopenhauer und Nietzsche eingesetzt, als das Denken wieder davon abgekommen ist, dass alles an einem Nagel aufgehängt werden muss. Ich bin also auch kaum unterrichtet was die Höhepunkte der System-builder-Philosophie angeht, sondern halte mich eher an Nietzsches fröhliche Wissenschaft und das Aphoristische – und damit an eine Form, die die Ergebnisse meiner Reflektion in geschriebenen Texten einer überschaubaren Länge festhält. Blogbeiträge klappen da super. Ob man jetzt die verwendeten Bilder als Illustration der Texte (das hatte Nietzsche noch nicht 🙂 ) ansieht oder die Bilder in den Mittelpunkt stellt und die Texte als Kommentare zu den Bildern liest, hängt vom eigenen Standpunkt ab.
Die Frage, welchen emotionalen Impact Bilder auf Menschen haben, hängt – neben der Frage ob sie von erläuterndem Text begleitet werden – auch davon ab, wie viel Zeit auf die Betrachtung der Bilder verwendet wird. Damit ist es leider nicht mehr so weit her. Wer von euch lieben Lesern hat sich z. B. auf dem Bild des Kurtheaters in meinem Beitrag über `Film Stills´ nachgeschaut, was für ein Film angekündigt wird? Ich nehme mich ja selbst nicht aus und gucke oft auch flott Bilder an, hier aber möchte ich gern versuchen abzubremsen. Der Text erläutert die Bilder und die Bilder illustrieren den Text und aus diesem Zusammenspiel entsteht etwas, was weder der Text noch das Bild alleine erzeugen können.
Recently Olympus released a software to download which allows you to use your OMD camera as a webcam. Isn’t that strange? Why should I use my expensive camera as a webcam? My initial lack of understanding slowly gave way to cold horror and the realization that I can not only throw my expensive camera and all the pictures made with it on the garbage, but myself as a photographer with it. Because today you are no longer a photographer, you are a YOUTUBE star. You don’t take pictures anymore but film yourself with your camera.
Perhaps it is only envy that makes me want to belittle the YouTube enthusiasm that has gripped very broad sections of society. Perhaps I should rather admit that I would be more successful if I sat down in front of a bookshelf and delivered the blog orally in front of the camera. Harald is a little more courageous than I am.
But I decided otherwise and that’s why it’s different now. Texts and (still) pictures instead of spoken words on moving video clips. But why did I want it (and still do) so?
I want to address the recipients primarily on the level of the mind and encourage them to think and fantasize with me. Texts are better suited for this than the spoken word, even if exactly the same text is read aloud. The written text activates the mind and the imagination, the spoken word (especially when you see the speaker speaking as well) at the same time still has a direct emotional component of some kind. The text is read and digested at its own speed, in the video I am served the process and have to follow it, apart from commercial breaks and the possibility of rewinding.
The pauses that the written word allows encourage reflection. The speech, especially when it is stirring, allows little hesitation. Even the ancient Greek sophists knew this before Hitler, who screamed his way into the souls of the Germans with the help of the radio. They let themselves be paid to put a point of view into speech so compellingly that the crowd had to agree. And then Plato came and let his ventriloquist’s puppet Socrates develop the funny idea of truth. This was roughly the transition from the spoken to the written tradition. The truth is something that needs to be established. As long as the oral debate is still raging (as with the living Socrates) there are always just different points of view competing with each other.
In my philosophy studies I have completely left christian philosophy out. I stopped with Plato and then started again with Schopenhauer and Nietzsche, when thinking got away from the idea that everything must be hung on a nail. So I am hardly informed about the highlights of the system-builder-philosophy, but rather stick to Nietzsches gay science and the aphoristic and thus to a form that records the results of my reflection in written texts of a manageable length. Blog posts work great there. Whether you look at the images used as illustrations of the texts (Nietzsche did not have that yet J) or whether you focus on the images and read the texts as comments to the images depends on your own point of view.
The question which emotional impact pictures have on people depends, apart from the question if they are accompanied by explanatory text, also on how much time is spent on looking at the pictures. Unfortunately, this is no longer the case. For example, which of you dear readers has looked at the picture of the Kurtheater in my post on ‘Film Stills’ to see what kind of film is announced? I don’t exclude myself and often look at quick pictures, but here I would like to try to slow down. The text explains the images and the images illustrate the text and out of this interaction something is created that neither the text nor the image alone can create.
A work of art by Bernd Hennig in his current exhibition in the Reuchlinhaus Pforzheim.