„Die Photographie hat die großen Künstler gezwungen, die Dinge anders zu sehen“
“Photography has forced the great artists to see things differently”
David Hockney
Ein immer wiederkehrendes Thema dieses Blogs ist die Unfähigkeit der Photographie mit Einzelbildern Zeit oder verschiedene Perspektiven zu zeigen. Neben Triplets, Serien und Begleittext sind Collagen eine Möglichkeit diese Scharte auszuwetzen.
David Hockney hat die Photocollage zufällig entwickelt. Als Vorlage für ein Gemälde hat er, da er Weitwinkelobjektive nicht objektiv genug fand, viele Einzelaufnahmen seines Motivs gemacht und diese dann zusammenmontiert. Daraus hat sich eine einzigartige Arbeit am Bild entwickelt für die Hockney ironischerweise berühmter geworden ist als für seine Gemälde, die er eigentlich vorzieht.
Steffen Siegel zeigt in seinen `Belichtungen´ anhand einiger ausgewählten Collagen von Hockney wie mit Fragmentierung und Reorganisation der Fragmente neue Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnet werden. Natürlich erinnert das an den Kubismus in der Malerei lässt sich aber nicht vollständig darauf reduzieren. Bei den vollständig rekonstruierten Bildern Hockneys, wie dem `Pearl blossom highway´ von 1986, könnte man noch sagen dass er die Einzelbilder wie grobe Pinselstriche einsetzt werden. Aber schon vorher geht er auch dazu über sich auf Wesentliches zu konzentrieren und wie in dem Bild `Scrabble game´ von 1983 eine Art Zeitlinie ins Bild zu bringen, Unwesentliches wegzulassen und damit definitiv ein Narrativ zu konstruieren. Darin tritt der Autor als Gestalter, Selektierer und Bedeutungsstifter wesentlich stärker in den Vordergrund als bei einem Einzelbild. In dieser Darstellung wird der Rahmen, der ja ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal des Einzelbildes ist gesprengt und damit in seiner Bedeutung thematisiert und reflektiert. In den Polaroid-Collagen spielt der Rahmen in Form der weißen Randfläche der Einzelbilder auf ganz andere Art eine Rolle als konstituierenden Faktor der Bildgestaltung. Es entstehen mehr oder weniger regelmäßige `grids´, die den Blick zwingen sich die Detail im Einzelnen anzuschauen und damit die verschiedenen Perspektiven zu erleben.
Wenn man Hockneys Werdegang als Photograph in den Blick nimmt, liest sich der Entstehungsmythos der Bildcollagen wiederum als verkürzende Erzählung. Hockney hat, wie in seinem Buch `David Hockney Photograph´ von 1983 nachzulesen ist, schon seit 1961 Photos, die er auf seinen Reisen oder als Vorstudien zu seinen Werken gemacht hatte in Alben gesammelt. Darin finden sich schon recht früh kombinierte Bilder oft nur aus zwei oder drei Aufnahmen, die so aneinander geklebt sind dass die Übergänge fast natürlich wirken. Er benutzt kleine billige Kameras und kümmert sich wenig um die technische Perfektion. Wichtig sind die Menschen, wichtig sind das Licht und die Komposition, die er mit den Photos sozusagen schon mal vorweg ausprobiert. Diese Kombinatorik entwickelt sich bis zu den Portraits von David Graves von 1982, die aus 30 bzw 120 Polaroid-Bildern bestehen und in einem Bild genau eines Menschen ebenso viele Perspektiven vereinigen.
Von da aus ist es nicht mehr weit zu `The scrabble game´ 1983 oder zu `The grand canyon looking north´ von 1986
Bei der Beschäftigung mit dem Grand Canyon kann man sehr schön beobachten, wie die Photocollagen dann in monumentale Panorama-Gemälde wie `The Grand Canyon´ 1998 einfließen.
Und obwohl Hockney auch wegen seiner Photocollagen bekannt geworden ist, ist die interessante Perspektive vielleicht doch, wie sich diese `Studien´ mit der Kamera auf seine Malerei und seine Bühnenbilder ausgewirkt haben. Wie der multiperspektivische Blick, die Reorganisation des Fragmentarischen ihm Möglichkeiten eröffnet hat, die so in der Malerei noch nicht zu sehen waren. Hockney nennt Picasso als eines seiner großen Vorbilder und wie Picasso hat er die De- und Rekonstruktion immer eingesetzt um seiner Wahrnehmung seiner Motive in seiner Darstellung nahe kommen zu können. Die Form wirkt abstrakt aber seine Inhalte bleiben immer konkret.
In den Jahren seit 2000 hat sich Hockney mit der historischen Entwicklung der künstlerischen Wahrnehmung beschäftigt. Aber davon an anderer Stelle mehr.
A recurring theme of this blog is the inability of photography to show time or different perspectives with single images. Besides triplets, series and accompanying text, collages are one way to make use of this loophole.
David Hockney developed the photo collage by chance. As a model for a painting, he took many single shots of his motif and then assembled them together because he did not find wide-angle lenses objective enough. The result are unique works of art for which Hockney has ironically become more famous than the paintings he actually prefers.
In his ‘Exposures’, Steffen Siegel shows in a few selected collages by Hockney how fragmentation and reorganisation of the fragments open up new possibilities of perception. Of course, this is reminiscent of Cubism in painting, but it cannot be completely reduced to it. In the completely reconstructed paintings by Hockney, such as the ‘Pearl blossom highway’ from 1986, one could still say that he uses the individual images like rough brushstrokes. But even before that, he also goes over to concentrating on the essential and, like in the 1983 painting ‘Scrabble game’, to bring a kind of timeline into the picture, to leave out the unessential and thus definitely construct a narrative. In this, the author as designer, selector and creator of meaning comes to the fore much more than in a single picture. In this representation the frame, which is an essential and indispensable feature of the individual picture, is broken up and thus its meaning is thematized and reflected upon. In the Polaroid collages, the frame in the form of the white edges of the individual images plays a completely different role as a constituent factor in the image composition. More or less regular ‘grids’ are created, forcing the gaze to look at the details in detail and thus experience the different perspectives.
If one takes a look at Hockney’s career as a photographer, the myth of the creation of the picture collages reads itself in turn as a shortening narrative. As can be read in his book ‘David Hockney Photographer’ from 1983, Hockney has been collecting photos in albums since 1961, that he had taken on his travels or as preliminary studies for his works. In these albums you can find combined pictures, often only from two or three shots, which are glued together in such a way that the transitions look almost natural. He uses small cheap cameras and cares little about technical perfection. The people are important, the light and the composition are important, which he tries out in advance with the photos, so to speak. This combinatorics develops up to the portraits of David Graves from 1982, which consist of 30 or 120 Polaroid pictures and combine as many perspectives in one picture of exactly one person.
From there it is not far to ‘The scrabble game’ 1983 or to ‘The grand canyon looking north’ from 1986
When dealing with the Grand Canyon, one can very nicely observe how the photo-collages then flow into monumental panorama paintings like ‘The Grand Canyon’ 1998.
And although Hockney has also become known for his photo collages, the interesting perspective is perhaps how these ‘studies’ with the camera have affected his painting and stage sets. How the multi-perspective view, the reorganization of the fragmentary opened up possibilities for him that had never before been seen in painting in this way. Hockney cites Picasso as one of his great role models and, like Picasso, he has always used deconstruction and reconstruction to come close to his perception of his motifs in his depictions. The form appears abstract but its contents always remain concrete.
In the years since 2000, Hockney has studied the historical development of artistic perception. But more about that elsewhere.
Meine gelegentlichen Spielereien mit hockneyesken Collagen haben es nicht soweit gebracht dass man Sie als Kunst bezeichen könnte. Nicht selten entstanden sie aus missglückten Panoramen, die ich dann händisch in frühen PS-Versionen zu den hier gezeigten Beispielen verarbeitet habe. Im Bild des Kölner Doms oben ging es um die Faszination aus einer konvergierenden Architektur plötzlich eine Divergierende zu entwickeln und bei dem Bild unten darum das bergauf des Schlossberges in Pforzheim zu illustrieren.
My occasional games with Hockneyesque collages have not brought it so far that one could call them art. Quite often they were created from failed panoramas, which I then processed by hand in early PS versions to the examples shown here. In the picture of the Cologne Cathedral above, the fascination of a converging architecture suddenly developing into a diverging one and in the picture below, it was about illustrating the uphill of the Schlossberg in Pforzheim.
Sehr interessanter Artikel. Hockney kannte ich bisher nicht als Fotografen.
Ja, er ist ja auch nicht wirklich ein Photograph, sondern eine Künstler, der Photographie im Rahmen seiner Kunst einsetzt so wie andere Aquarellfarben. Zumindest hab ich das so verstanden. Er besteht ja auch drauf das die Malerei der Photographie überlegen sein…